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Als großer Fan jedweder „Schaubersendungen“ auf einem sehr bekannten Fernsehkanal für Männer reifte bei mir der Wunsch, einen Oldtimer zu restaurieren. Da ich von Blech und Autos recht wenig Ahnung habe, kam mir der Gedanke, man könne doch auch einen Modellflug-Oldi restaurieren. Schnell wurde auch klar, welches Modell es werden sollte: ein Charly.
Auf der Suche
Für mich ist er das Symbol für Modellflug – vielleicht auch deshalb, weil es das erste Modell ist, das ich bewusst wahrgenommen hab, als mich mein Großvater in jungen Jahren mit auf die Piste nahm. Auch die vielen Geschichten über Wilfried Klinger, die mir mein Opa erzählte, bestätigten mich in meiner Entscheidung, genau diesen Klassiker zu restaurieren und in die heutige Zeit zurückzubringen – als Elektro-Modell. Ich bin zwar noch im Besitz eines Original-Bauplanes, doch ein Neubau entsprach nicht meinem Wunsch, etwas zu restaurieren. So kam es also, dass ich intensiv im Internet surfte und nach möglichen Objekten suchte. Dabei stellte ich fest, dass Baukästen bis 250 Euro gehandelt wurden. Fertige Modelle gab es selten. Wenn sie einigermaßen brauchbar schienen, waren sie entsprechend teuer – oder sie waren sehr mitgenommen. Und dann geschah es. Ich sah einen Charly – nur einmal geflogen. Er sah zwar aus wie ein Clown, doch zeigten die Bilder ein intaktes Modell.
Munster statt Münster
Zu diesem Zeitpunkt lebte ich noch in Düsseldorf. In meiner Euphorie sah ich zwar das „nur an Selbstabholer“, doch der vermeintliche Ort Münster war ja nicht weit entfernt. Jedoch fehlte „Münster“ etwas Entscheidendes – die Ü-Punkte. Und so geschah es, dass ich den Zuschlag bekam. Für 49,50 Euro war der Charly mein. Ganz aufgeregt öffnete ich die bestätigende Mail und wunderte mich zunächst über die Postleitzahl, die so gar nicht in den Raum Düsseldorf passte. Nach kurzer Recherche stellte sich heraus, dass nicht der Anbieter nur die Ü-Punkte vergaß, sondern dass es in der Tat ein Munster gab, das zwischen Hannover und Hamburg lag – schlappe 360 km von Düsseldorf. Aber was macht man nicht alles für einen Traum. Ich entschloss mich also auf meinem Weg in meine Heimatstadt Bamberg (Ecke Nürnberg) einen „Abstecher“ über Munster zu machen. Insgesamt waren es 850 km.
Nach der ersten Etappe war ich nun stolzer Besitzer eines Charlys. Der Verkäufer erzählte mir dann auch noch, dass das Modell in meinem Geburtsjahr 1978 seinen Erstflug hatte. Mit dieser schönen Anekdote und voller Stolz über meinen Kauf trat ich die Heimreise an. Ich weiß nicht mehr, wann ich angekommen bin – es war spät oder früh, wie auch immer man es sieht. Ich packte meinen Charly – wir waren mittlerweile schon beim „du“ – sorgfältig auf die Werkbank im Haus meiner Eltern und erholte mich erstmal von der Fahrt.
Erste Reparaturen
Am nächsten Tag ging es sofort an die Arbeit. Der Vorbesitzer hatte das Modell lackiert. Dieser Lack musste ab, genau wie die in die Jahre gekommene Folie. Beim „Strippen“ – so sagen die Autoschauber dazu – wurde deutlich, dass das Modell in einem hervorragenden Zustand war. Nach einigen kleineren Reparaturen war das Rohmodell für die Modernisierung bereit. Da der Vorbesitzer anscheinend keinen Wert auf einen Piloten legte und die klassische Charly-Pilotenfigur natürlich Pflicht war, musste erstmal der Ausbau des Cockpits vorbereitet werden. Als Randbemerkung möchte ich erwähnen, dass in meinem Keller noch einige Original-Figuren liegen, die die Firma meines Großvaters einst herstellte. Auch hier liegt viel Geschichte in der Luft.
Elektro-Umbau
Im nächsten Schritt galt es, die Umrüstung auf Elektroantrieb zu konzipieren. Zum einen werden Brushlessmotoren anders befestigt als die klassischen Zweitakter. Zum anderen war ein Akkuwechsel damals ebenfalls nicht vorgesehen – und immer wieder die Fläche abschrauben, um den LiPo zu tauschen, erschien mir recht aufwendig. Ich entschied mich für einen Akkuschacht von oben, direkt vor dem Cockpit. Somit konnte ich später auch noch den Schwerpunkt individuell einstellen.
Nun ging es an die Technik. Gemeinsam mit dem Besitzer des Modellflugladens meines Vertrauens, Klaus Schreier, wurde das Setup definiert. Für Höhe und Seite kamen zwei Hitec-HS-85MG zum Einsatz. Den beiden Querrudern verleiht ein Hitec-Standard-Servo HS-645MG die notwendige Kraft. Angetrieben wird der Charly stilecht von einem OS-Max-Motor, aber in einer elektrischen Version. Mit dem OS OMA-3825-750 spürt man keinen Unterschied zum eigentlichen 6,5-cm³-Methanoler von früher. Der „Tank“ ist ein 4s-LiPo mit 3.300 mAh. Geregelt wird die Power von einem roxxy-Brushless-Control 960-6.
Interessant wurde es beim Motorträger. Hier erfolgte eine Eigenkonstruktion mit Gewindestangen und Alurohren. Die Vermessung und das Einstellen des Sturzes sowie des Seitenzuges waren zwar nicht trivial, aber die Konstruktion ist so flexibel, dass die Einstellungen nach einigen Testflügen noch optimiert werden können. Der Erstflug zeigte jedoch, dass ich wohl gut gemessen hatte. Es musste nichts mehr korrigiert werden.
Neues Finish
Nach etwas mehr als einer Woche war das Modell bereit zum Finish. Dabei orientierte ich mich am Original-Design der damaligen Packung. Das dezente weiße Design mit roter Akzentfarbe ist auch heute noch ein absoluter Hingucker. Natürlich bekam der Pilot auch ein echtes Instrumentenbrett. Dazu wurden kurzerhand Bilder echter Instrumente auf glänzendem Fotopapier gedruckt und in dafür vorgesehene Plastikschablonen geklebt. Abgerundet wurde der Cockpitausbau mit echtem Leder eines alten Molskin-Kalenders und maßstabsgetreuem Kartenmaterial.
Kurz vor Dreikönig war der Charly dann bereit zum Erstflug. In knapp zwei Wochen wurde aus einem clownartigen Kellerfund ein stolzer WIK-Charly, der auf jedem Modellflugplatz sofort die Blicke auf sich zieht und viele Erinnerungen weckt. Irgendwie hatte jeder früher einen Charly.
Der zweite Erstflug
Dann erfolgte der Erstflug. Petrus hatte wohl auch Gefallen an diesem Projekt und bescherte uns einen perfekten Erstflugtag. Jetzt würde es sich zeigen, ob die Komponenten richtig gewählt wurden und die Einstellungen korrekt waren. Ich war so aufgeregt, dass den Erstflug mein langjähriger Fliegerfreund Marek durchführen musste. Wir kennen uns, seitdem wir zwölf Jahre sind und betreiben seit dieser Zeit dieses Hobby. Wenn meine Nerven brach liegen, muss er einspringen.
Noch einmal alles prüfen, den Charly auf die Startposition stellen und es gibt kein zurück. Marek schiebt den Gashebel vor, das Modell rollt an, beschleunigt und entschwebt in den strahlendblauen Mai-Himmel. Ein Traum wird wahr. Der Charly fliegt absolut gutmütig. Die Leistung ist völlig ausreichend, so dass mit maximal Halbgas geflogen werden kann. Die mit einem Alu-Fahrwerk verschraubten Kavan-Räder sorgen durch leichte Vibration für einen sonoren Sound – fast wie früher, als ein Verbrenner-Motor seinen Dienst verrichtete. Der Charly zieht seine Kreise, als hätte er die letzten 14 Jahre nichts anderes gemacht. Einfach nur schön. Der Sender mahnt zur Landung. Wir haben den Timer sicherheitshalber auf 6 Minuten gestellt. Der Landeanflug erfolgt mit einem majestätischen Gegenanflug. Das Modell dreht ein und bewegt sich langsam in Richtung Boden. Ganz ruhig fliegt der Charly über den Platz, setzt genau vor unseren Augen auf – und bleibt abrupt mit einer kleinen Drehung stehen während das linke Rad munter über die Piste rollt. Leider haben die Jahre im Keller der Plastikfelge wohl nicht so gut getan, weshalb sie ihren Dienst quittierte. Die alten Räder wurden im Folgenden durch superleichte 57-mm-Schaumräder von partCore ersetzt.
Alles in allem war der Erstflug ein voller Erfolg. Mit neuen Rädern bestückt ist der Charly nun der Liebling auf der Piste. Ein Stückchen Geschichte, das auch heute noch mindestens genau so faszinierend ist, wie damals zu den Zeiten der Modellflugpioniere. Und wie der Großvater ist auch nun der Enkel ein stolzer Charly-Pilot.
Technische Daten
WIK Charly Baujahr 1978
Konstrukteur: Wilfried Klinger
Histor. Preis: 157,40 DM
Antriebsart Original: Verbrenner
Antriebsklasse: 6,5 - 10cm³
Elektr. Antrieb: OS OMA-3825-750
Regler: Roxxy Brushless-Control 960-6
Akku: 4s 1P 3.300 mAh
Luftschraube: 12x7,5 aeronaut CamCarbon
Spannweite: 1.500 mm
Länge: 1.180 mm
Fluggewicht: 2.500 - 3.000 g (nach Umbau)
Flächeninhalt: 40 dm²
RC-Funktionen: HR, SR, QR, Motor
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