Dienstag, 18.04.2023 Kinderarbeit? Aber klar!
Schön, dass Sie weiterlesen und mir Gelegenheit geben, die ketzerische Überschrift ins rechte Licht zu rücken. Bei dem Begriff ‚Jugendarbeit‘ legt sich beim Zuhörer oder Leser in der Regel ein wohlwollendes Lächeln ins Gesicht und die ‚Daumen-hoch-Beiträge‘ sind uns sicher. Ersetzt man das Wort Jugend aber durch Kinder hat das Wort sofort und zu Recht eine verheerende Bedeutung. Wir erkennen, was unsere schöne Sprache doch für Tücken bereithält und sollten gelegentlich Verständnis haben, wenn jemand, der die Sprache gerade lernt die Details noch nicht perfekt verinnerlicht hat.
Erfolgreiche Vereinsarbeit bei der FMG Nördlingen
Doch jetzt zu unserem eigentlichen Thema. Auf das obige Wortspiel kam ich, da zu beobachten ist, dass mit Blick auf die letzten vier Jahrzehnte das Einstiegsalter unseres Nachwuchses konstant nach vorne wandert. Während wir damals eher mit 13 oder 14 Jahren zur Modellfliegerei kamen, klopfen heute Eltern bereits mit ihren 8-Jährigen an die Tür der FMG Nördlingen. Vor dem zehnten Geburtstag nehmen wir aber im Normalfall für den regulären Vereinsbetrieb und speziell für die Jugendwerkstatt Neueinsteiger nicht auf. Folglich sind wir mit dem Begriff ‚Kinder‘ schon richtig.

Eine helfende Hand, wo auch immer sie gerade gebraucht wird – was wären wir nur ohne unseren Nachwuchs
Verein(t)
Was hat es nun mit der Arbeit aus der obigen Schlagzeile auf sich? Ich möchte etwas darüber berichten, wie wir unsere Jungfliegerinnen und Jungflieger in das allgemeine Vereinsleben und damit auch in die Vereinsarbeit integrieren. Das ist hier durchaus wörtlich gemeint, stehen doch in jedem Verein genügend Arbeiten an, die sich nur mit ausreichend engagierten Freiwilligen erledigen lassen.
Da ist zum einen die Platzpflege. Jährlich im Frühling wird ausgemottet, das Vereinsheim geputzt, gewartet und repariert sowie das Flugfeld gepflegt. Löcher müssen mit Humus gefüllt werden und die Piste wird begradigt. Da ist uns jede helfende Hand willkommen und die Jugend stellt zahlenmäßig meist die stärkste Fraktion.
Nun sind wir hier im Nördlinger Ries in einer ländlichen Region beheimatet und doch kommt es vor, dass der eine oder die andere zum ersten Mal eine Schaufel in der Hand hält. Zur Erkenntnis wie anstrengend es ist, einmal eine Stunde oder mehr körperlich zu arbeiten, kommt das Erlebnis wie gut die Brotzeit und das Spezi nach getaner Arbeit im Kreise der Gruppe schmeckt.

Wie immer ein Magnet für junge Besucher der Ausstellung: der Flugsimulator betreut von unseren Jungs
Ausstellungserfolg
Traditionell machen wir hier in Nördlingen im 3-jährigen Turnus eine große Ausstellung mit dem Titel ‚Modellbau – Hobby – Freizeit‘, bei der wir den Verein und die Jugendarbeit vorstellen. Gleichzeitig bieten wir Privatleuten die Gelegenheit, ihre Hobbys zu präsentieren. In diesem Jahr waren über vierzig ideelle Aussteller mit dabei. Deren Freizeitbeschäftigungen reichten vom Basteln, Häkeln und Klöppeln über Dampfmaschinenbau, Modelleisenbahn- und Slotcar-Fahren bis hin zum Sammeln von Briefmarken und Steinen oder der Fotokunst sowie dem Drechseln oder dem Tattoo-Stechen. Damit ist diese eintägige Veranstaltung ein Highlight für die ganze Familie. Und so belohnten Anfang März 2.000 Besucher unsere Arbeit, die ohne die Jugend kaum zu bewältigen wäre – ob beim Auf- und Abbau als auch im Ablauf der Veranstaltung.
Unser Nachwuchs betreute in Eigenverantwortung den Flugsimulator, das Gleiter-Basteln mit jungen Gästen und half beim Catering. Als dann am Sonntagabend alle (über hundert) Tische wieder aufgeräumt und die vier Turnhallen sauber gekehrt waren, freuten sich Jung und Alt gemeinsam über den Erfolg.

Das selbstgebaute Modell wird auf der ‚Modellbau – Hobby – Freizeit‘ stolz der Öffentlichkeit präsentiert
![]()
Altpapier-Aktion
Die FMG Nördlingen war schon in den 1970er-Jahren sehr aktiv beim Sammeln von Altpapier, was alljährlich die Vereinskasse merklich ertüchtigte. Bei den damaligen Sammel-Aktionen saßen wir Jugendlichen auf den Pritschen von geliehenen LKWs (heute versicherungstechnisch fast undenkbar) und grasten die Straßen Nördlingens nach vorbereiteten Papierbündeln ab. Nachdem heute jeder zweite Sportverein von Recyclingbetrieben professionell sammeln lässt, haben wir unsere Strategie angepasst. In unserer Jugendwerkstatt K2 haben wir einen Raum abgetrennt, in dem wir kontinuierlich übers Jahr Altpapier anhäufen – indem viele Vereinskollegen uns gelegentlich einen Stapel vorbeibringen. Damit schauen die ‚Alten‘ auch mal im K2 vorbei und halten den Kontakt zum Nachwuchs. Ein- bis zweimal jährlich lassen wir dann den Container kommen und in einer gemeinsamen Hauruck-Aktion wird unser Lager geleert. Das ist jedes Mal eine witzige Aktion und neben der Erkenntnis, dass man beim Arbeiten auch mal ins Schwitzen kommt, prägt sich jedem unserer Kinder ein, dass das gemeinsame Anpacken auch einen Teil der Jugendwerkstatt mitfinanziert.

Die Altpapier-Aktion ist eine wichtige Einnahmequelle für den Verein – und Spaß machts auch noch
Hand in Hand
Wer hilft schnell bei der Vorbereitung einer Veranstaltung am Platz? Klar, das kann jeder machen, aber auch hier die Jugend einzubinden hat neben dem praktischen Nutzen auch noch den wichtigen, pädagogischen Nebeneffekt, dass der Nachwuchs an den Verein gebunden wird und lernt, dass es am besten miteinander geht. So akquirieren wir bei den Jungen ‚Huper‘ bei Wettbewerben – wie beispielsweise Signalgeber beim Überfliegen von Luftraumgrenzen beim Seglerschlepp oder Parkplatzeinweiser bei größeren Veranstaltungen. Aber auch bei Treffen und Veranstaltungen auf dem Flugplatz unterstützen die Kids in der Küche, beim Spülen oder am Grill. Wichtig ist aber dabei: Nie zu viel auf einmal und nicht immer die Gleichen, damit der Spaß nicht verloren geht, aber doch eine konstante Integration in das Vereinsgeschehen herrscht.
Kinderarbeit im positiven Sinne steigert also nicht nur dem Selbstwert und bringt Anerkennung, sondern ist gleichzeitig auch hilfreich für die Persönlichkeitsbildung. Wenn ich zurückdenke an meine Jugend, dann waren das immer die tollsten Erlebnisse, wenn wir uns als Jugendgruppe in den Verein einbringen konnten. Das war so ganz anders als in der Familie und ich denke, das ist heute wichtiger als jemals zuvor.

Beitrag von Jochen Zimmermann
Ausgabe: FMT05/2023