Mittwoch, 23.03.2022 Mitsprache für die Jugend - Teil 1
In dem zweiteiligen Bericht der FMT-Jugendkolumne beschäftigen wir uns mit dem Mitsprache- und Stimmrecht von Jugendlichen innerhalb der verschiedenen Flugmodellbauvereine. Teil 1: Was Verbände und Recht dazu sagen.
Verbände und Recht
In unserer WhatsApp-Runde teilen die Gruppen der FMTJugendförderung außergewöhnliche Flugerlebnisse, spannende Bauberichte und ganz besondere Momente. Und natürlich gibt es den einen oder anderen regen Austausch über die verschiedenen Erfahrungen, Ansätze und Themen rund um die Jugendarbeit. Vor ein paar Wochen kam die Frage auf, ob Jugendliche ein Mitspracherecht haben und wie das Stimmrecht in den jeweiligen Vereinssatzungen aussieht.
Inspiriert von den unterschiedlichen Rückmeldungen und Ansätzen der Jugendgruppen, begaben wir uns auf die Suche nach Antworten auf die Frage nach der Mitsprache. Im Gespräch mit den Rechtsanwälten Carl Sonnenschein (DMFV) und Christian Walther (DAeC/MFSD) widmen wir uns deshalb zunächst den allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen.
Was sagt der Gesetzgeber?
Nach Auskunft von Rechtsanwalt Christian Walther (DAeC/MFSD) können Kinder unter sieben Jahren eine Mitgliedschaft in einem Verein erwerben, wenn ihre Eltern als gesetzliche Vertreter entsprechend agieren. Diese Kinder können dann aber selbst in ihrer Person kein Teilnahme- oder Stimmrecht im Verein ausüben, weil sie geschäftsunfähig sind (vgl. § 104 BGB). Für diese geschäftsunfähigen Kinder müssen stets deren gesetzliche Vertreter auftreten und handeln.
Jugendliche, also Kinder und Heranwachsende ab sieben Jahre bis 18 Jahre, sind beschränkt geschäftsfähig (vgl. §§ 106 ff BGB). Für einen Vereinsbeitritt ist stets die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters erforderlich. Der Jugendliche stellt aber seinen eigenen Aufnahmeantrag – es ist also seine Willenserklärung, die zählt. Er braucht nur noch eine zweite Willenserklärung, nämlich die Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter.
Christian Walther (DAeC/MFSD)
Das gilt auch für alle Handlungen, die der Jugendliche in Ausübung seiner Mitgliedschaft vornehmen will. So auch für die Ausübung des Teilnahmerechts – zum Beispiel dem Fliegen auf dem Modellfluggelände des Vereins sowie für die Ausübung seines Stimmrechts. In der Vereinssatzung kann geregelt sein, dass Jugendliche kein Stimmrecht haben oder in den Teilnahmerechten beschränkt sind (etwa nicht ohne Erwachsenen fliegen dürfen oder ähnliches). Das ist aber im Einzelfall zu prüfen.
Ist nichts in der Vereinssatzung geregelt, gilt das, was auch für Erwachsene gilt. Zu beachten ist jedoch, dass der gesetzliche Vertreter die Ausübung der Teilnahme-, Stimm- oder sonstigen Rechte des Jugendlichen wegen der freien Widerruflichkeit seiner Einwilligung (vgl. § 183 BGB) faktisch stets auf sich ziehen kann. Daran kann auch keine Vereinssatzung etwas ändern. Wichtige Beschlüsse etwa auf einer Jahreshauptversammlung eines Vereins können damit schwierig werden und eventuell anfechtbar sein.
Dieses Risiko kann mittels schriftlicher Einwilligungserklärungen der gesetzlichen Vertreter entschärft werden. Allerdings werden Einwilligungserklärungen nicht selten recht abstrakt abgefasst, so dass die Frage aufkommen kann, ob die Stimmabgabe zu einem konkreten Vereinsbeschluss umfasst war.
Ein gewisses Restrisiko verbleibt also. Nichtsdestotrotz ist die Beteiligung der Jugendlichen an Versammlungsentscheidungen sicherlich auch ein Weg, die Vereinsjugend für das Vereinsgeschehen zu interessieren und heranzuführen. Man sollte aber mit der gebotenen Umsicht von Vereinsseite an die Sache herangehen.
Jugendliche sind die Zukunft
Rechtsanwalt Carl Sonnenschein, Verbandsjustiziar des DMFV, erklärt zum Stimmrecht von Jugendlichen:
„Gerade wenn ein Beschluss auf der Jahreshauptversammlung mit einem knappen Abstimmungsergebnis gefallen ist, wird immer wieder die Frage gestellt, ob etwa jugendliche Mitglieder überhaupt an einer Abstimmung aktiv teilnehmen dürfen. Grundsätzlich hat jedes Vereinsmitglied die gleichen Rechte und Pflichten im Verein. Dies gilt auch für das Stimmrecht auf der Mitgliederversammlung. Jugendliche Mitglieder besitzen daher normalerweise auch das Stimmrecht auf der Mitgliederversammlung.
Carl Sonnenschein (DMFV)
Die Satzung kann aber bestimmen, dass das Stimmrecht auf der Mitgliederversammlung einer bestimmten Kategorie von Mitgliedern entzogen ist, wie zum Beispiel passiven oder jugendlichen Mitgliedern. Ist etwa in der Satzung das Stimmrecht ausdrücklich nur für volljährige Mitglieder vorgesehen, dürfen Jugendliche auf der Mitgliederversammlung nicht mitstimmen.
Vereine sollten aber genau prüfen, ob sie den Stimmrechtsausschluss für Jugendliche wirklich wollen und diesen in der Satzung festschreiben möchten. Jugendliche Mitglieder sind für den Verein lebenswichtig. Sie stellen die Zukunft des Vereins dar. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des Vereins. Dazu gehört aus meiner Sicht auch das Recht, auf der Mitgliederversammlung abstimmen zu dürfen.“
Weiter führt der DMFV-Rechtsanwalt aus, dass, wenn diesbezüglich nichts ausdrücklich in der Satzung geregelt ist, die jugendlichen Mitglieder selbstverständlich auch ein Stimmrecht haben. Die Frage, die sich stelle, sei: „Wie können Jugendliche ihr Stimmrecht ausüben?“
Die gesetzlichen Vertreter (Vater, Mutter) seien hierbei berechtigt, für den Minderjährigen abzustimmen. Die Stimmabgabe durch den Jugendlichen selbst ist nur mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters wirksam, wie sich aus §§ 107, 111 Satz 1 BGB ergibt. Dies bedeute, so Carl Sonnenschein, dass Jugendliche nur dann ihr Stimmrecht auf der Mitgliederversammlung selbst ausüben dürfen, wenn sie eine (schriftliche) Einwilligung beziehungsweise Zustimmung der Eltern dem Versammlungsleiter vorlegen können.
Zur praktischen Umsetzung
Rechtsanwalt Carl Sonnenschein (DMFV) empfiehlt daher, dass schon in der Einladung zur Jahreshauptversammlung ein Hinweis enthalten sein sollte, dass jugendliche Mitglieder nur mit schriftlicher Einwilligung ihrer Eltern mitstimmen können und daher eine solche (Vollmacht) mitbringen sollten.
Die Einwilligung beziehungsweise ein entsprechendes Formular könnte der Einladung zur Mitgliederversammlung beiliegen und könnte wie folgt aussehen:
„Hiermit erklären wir unsere Einwilligung, dass unser(e) Sohn/Tochter auf der Mitgliederversammlung des Modellflugclubs am ... (Datum) sein/ihr Stimmrecht selbst ausüben darf. Die mit der Einladung vom ... (Datum) vorgelegte Tagesordnung haben wir zur Kenntnis genommen. Unterschriften Eltern.“
Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung des DMFV.
Mit einer solchen Regelung und Vorgehensweise könnte man Unsicherheiten vermeiden. Die Eltern würden damit auch bestätigen, dass ihnen bewusst ist, welche Themen auf der Mitgliederversammlung besprochen und beschlossen werden sollen. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Christian Walther (DAeC/MFSD) kann es in Vereinsatzungen sinnvoll sein, insbesondere beim Stimmrecht zwischen Jugendlichen beispielsweise unter 14 Jahren und ab 14 Jahren zu differenzieren.
Im Regelfall sind erstgenannte Jugendlichen noch nicht hinreichend interessiert oder in der Lage, sich zu den entscheidungserheblichen Vereinsangelegenheiten eine eigene, hinreichende Meinung zu bilden. Bei Jugendlichen ab etwa 14 Jahren zeigt sich dagegen sehr häufig ein ganz anderes Bild. Das Interesse dieser Jugendliche ist vielfach geweckt und sollte beachtet beziehungsweise mit Einbeziehung – also Stimmrecht – gefördert werden.
Und was machen die Vereine?
Nach der Klärung der rechtlichen Voraussetzungen stellt sich nun die wichtigste Frage: Wie handhaben die einzelnen Vereine die Teilhabe von Jugendlichen und das Stimmrecht? Und was würden sich die Jugendlichen und ihre Ansprechpartner wünschen?
Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, lassen wir in der Kolumne der FMT 4/2022 die einzelnen Gruppen der FMT-Jugendförderung zu Wort kommen.
In der FMT 04/2022 findet ihr Teil 2 des Beitrags
"Mitsprache bei Jugendlichen?"
Hier gehts zur Digital-Version
Beitrag von Maleen Thiele,
VTH-Redaktion,
Ausgabe: FMT03/2022