Freitag, 23.05.2025 Unter Gleichgesinnten - Jugendverein im Modellsport
Demokratie ist eine große Sache – das erleben wir dieser Tage in nie dagewesenem Ausmaß. Doch Demokratie will gelernt sein. Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für das Vereinsleben. In Aalen haben wir aus einer Schul-AG einen Verein gegründet, in dem die Jugendlichen den Ton angeben. Über unsere ersten Erfahrungen geht es im folgenden Beitrag.
Die Problematik
Viele Vereine beklagen die fehlenden Jugendlichen. Schaut man aber genauer hin, dann sieht man, dass die Angebote für diese Altersgruppe oft Luft nach oben haben. Junge Flugmodellsportler brauchen zwar Anleitung, haben aber oftmals andere Interessen als die alten Hasen. Machen wir uns nichts vor – Vierzehnjährige wollen in der Regel nicht mit uns Älteren gemütlich am Himmel fliegen. Sie wollen in der Gruppe unter sich sein. Das ist normal, Jugendliche interessieren sich für andere Gebiete im Modellsport als Erwachsene: Computergestützte Modelle und Drohnen sind aktuell in. Das heißt nicht, dass man Kinder und Jugendliche heute nicht mehr für den traditionellen Flugmodellbau begeistern kann – mit einer Drohne ist es aber der einfachere und schnellere Weg zum Erfolg.
Erschwerend kommt hinzu, dass Jugendliche oft mehr Probleme damit haben, auf den Flugplatz zu kommen als ihre erwachsenen Vereinskollegen. Wie oft haben wir schon beobachten müssen, dass interessierte Kinder nach wenigen Besuchen auf dem Fluggelände nicht mehr gesehen werden, weil Taxi-Mama sie nicht mehr bringen kann oder will – die Flugplätze sind leider meistens sehr weit von den Wohnorten entfernt. Wenn man erfolgreiche Jugendarbeit im Verein machen will, dann muss man den Flugmodellsport dort betreiben, wo die Jugendlichen ohnehin sind: auf Sportplätzen, Turnhallen, Schulhöfen und an den Schulen.

Unsere Annika: Die erste Beisitzerin der MFJ-Ostalb e.V. und Chefin in allen Fragen des Leistungssports.
Das Resultat
Die Folge ist fast unausweichlich: Es entstehen im besten Fall zwei Gruppen in Verein, die sich nicht nur durch das Alter unterscheiden. Diese Ungleichheit wird schon an unserer Sprache deutlich – wir reden von Jugendgruppen im Verein, die von einem Interessenvertreter repräsentiert werden. Ich habe aber noch nie von einer Rentnergruppe und seinem Interessenvertreter im Vorstand gehört. Natürlich ist ein aktiver Jugendvertreter im Vorstand eine wichtige Sache, aber unsere Erfahrungen besagen: Das funktioniert oftmals nicht. Es beginnt schon mit den Vorstandsberatungen und den Mitgliederversammlungen des Vereins, die bei uns regelmäßig am Abend in einer Gaststätte stattfinden. Wenn wir aber erfolgreich mit Jugendlichen arbeiten wollen, dann müssen wir sie als gleichberechtigte Partner im Verein begreifen und ihnen eine Stimme im Verein geben, die sie auch praktisch zum Ausdruck bringen können. Das passt leider nicht in die klassische Vereinsstruktur, weder örtlich noch inhaltlich noch zeitlich. Das ist kein Vorwurf, es ist der Zeitgeist und die praktische Realität.
Wir haben deshalb die Idee entwickelt, einen reinen Jugendverein im Flugmodellsport zu gründen – wir betreuen nämlich bei uns regelmäßig zwischen 20 und 30 Kinder und Jugendliche am Schubart Gymnasium in Aalen. Solche Zahlen entstehen nicht von heute auf morgen, sondern sind seit Jahren gewachsen. Die Teilnehmer an den Kursen beschäftigen sich neben traditionellen Flächenmodellen mit Drohnenbällen und Fesselflugmodellen. Drohnenball und Fesselflug haben sich herausgebildet, weil wir sie an der Schule in der benachbarten Turnhalle regelmäßig praktizieren können. Für RC-Flächenmodelle trifft das eben nicht zu, deshalb sind sie bei uns ein Auslaufmodell. An Mitgliedern würde es also bei einem Jugendverein-Projekt nicht mangeln. Die Probleme ergeben sich aber aus den rechtlichen Bedingungen an einen Verein mit minderjährigen Mitgliedern im Allgemeinen.

Fliegermädchen und Beisitzerinnen des Vereins von links nach rechts: Nathalie, Jasmin und Evelyn, die das Abi bereits in der Tasche hat.
Der Lösungsansatz
Deshalb haben wir erst einmal die Erziehungsberechtigten mit ins Boot geholt und einen Elternabend einberufen. Wir waren überrascht, wie viele Eltern unserer Einladung gefolgt waren – und noch mehr, auf welche Resonanz das Vorhaben stieß. Im Ergebnis einer umfassenden Diskussion wurde der Beschluss gefasst, einen Verein zu gründen, dessen rechtlich notwendiger Vorstand aus drei erwachsenen Vereinsmitgliedern besteht – Vorstand, zweiter Vorstand und Kassenwart. Die eigentliche inhaltliche Führung würden aber fünf gewählte jugendliche Beisitzer übernehmen. Eine solche Struktur entspricht am besten den Besonderheiten eines solchen Vereins, der mit Sicherheit einer höheren Fluktuation als klassische Modellflugvereine unterliegen wird. Wir hoffen damit ein Gleichgewicht an Stabilität einerseits und personeller Flexibilität andererseits zu gewährleisten. Es ist vollkommen klar, dass wir jährlich neue Mitglieder gewinnen und verlieren werden, wenn sich ein solcher Verein an Schüler richten soll. Was von vielen klassischen Vereinen als Makel an der Jugendarbeit empfunden wird („die bleiben ja nicht im Verein“) ist eigentlich Normalität. Mit vierzehn Gründungsmitgliedern hatten wir die gesetzliche Mindestanzahl deutlich überschritten.
Im Dezember wurde die Eintragung des Vereins unter dem Namen Modellflugjugend Ostalb beantragt, zwei Monate später konnten wir die Eintragungsurkunde in das Registergericht in Empfang nehmen. Die Gemeinnützigkeit soll in den nächsten Tagen erteilt werden, so die mündliche Information des Finanzamtes. Die Gemeinnützigkeit ist unbedingt notwendig, da fast alle Förderungen nur an gemeinnützige Vereine ausgereicht werden. Dafür ist es wichtig, dass in der Satzung im Vereinszweck neben dem Flugmodellsport auch die Erziehung und Bildung von Jugendlichen aufgeführt wird. Bei vielen Förderprogrammen, die für uns in Baden-Württemberg relevant sind, reicht leider die reine Gemeinnützigkeit nicht aus. Es werden eben die Erziehung und Bildung als steuerbegünstigter Zweck in der Satzung verlangt.

Simon: Beisitzer, Chef der Ladetechnik und vielleicht bald Gleichstellungsbeauftragter unter den vielen Fliegermädchen im Verein.
Etwas Orientierung
Was zeichnet nun einen solchen Verein aus, der nur aus Jugendlichen besteht? Er befindet sich direkt im Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen – die Schule – und erzeugt damit eine ganz neue Bindungsstruktur. Das ist ein großer Unterschied zu einer Arbeitsgemeinschaft, den wir auch spüren. In einer AG sind die Teilnehmer mehr oder minder passiv, mit dem Verein entsteht eine Gruppendynamik, bei der die Mitglieder das Handeln selbst bestimmen können. Alle Themen, die im Verein anstehen, sind ausschließlich die der Jugendlichen. Das ist ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal.
Das betrifft besonders die Teilnahme an Wettbewerben. Ohne Wettbewerbe wird jede Jugendarbeit über kurz oder lang wieder einschlafen. An welchen Wettbewerben wir teilnehmen. Und, was viel wichtiger ist, wer den Verein bei diesen vertritt, das entscheiden jetzt die Mitglieder selbst. In einem traditionellen Modellflugverein wäre das nur ein Punkt unter vielen auf der Tagesordnung. Wir haben die Verantwortung dafür der ersten Beisitzerin Annika Keib übergeben. Annika ist inzwischen eine der weltbesten Striker im Drone-Soccer und damit eine anerkannte Führungsperson bei den Jugendlichen im Verein. Und da es im November nach China zu den ersten Weltmeisterschaften in Schanghai geht, ist eine Teilnahme in der Mannschaft des Vereins eine wichtige Frage für alle Mitglieder. Wichtig: Wir sorgen nur für den Rahmen, wer fährt, ist Sache der jungen Leute!
Natürlich hat der Verein in der Zwischenzeit eine eigene Website (https://mfj-ostalb.de). Aber es sollen alle anderen Medien von den Mitgliedern auch erschlossen werden, die kennen sich da ohnehin besser aus. Wichtig und oftmals nicht so beachtet ist für die Kinder die Vereinskleidung. Unsere leuchtend-orangene T-Shirts sind bei unseren Kindern der Hit – Corporate Identity würde man neudeutsch sagen. Was wir aber nie erwartet hätten ist die Unterstützung der Eltern für den Verein. Viele unserer Eltern haben verstanden, dass der Verein ausschließlich ihrer Kinder und damit jegliche Unterstützung diesem Zweck dient. Die erste große Bewährungsprobe für die Modellflugjugend Ostalb e.V. wird die Ausrichtung eines internationalen Wettbewerbs im März sein, den wir mit einem offenen Schul-Cup verbinden werden. Das wäre ohne die große Unterstützung bei den Eltern nicht denkbar.

Angelika (links) und Miriam, erste Vorsitzende und Finanzchefin, moderieren den Verein als Teil des erwachsenen Vorstands.
Ein Zukunftsblick
Last but not least die Außenwirkung: Kein Verein kann dauerhaft ohne Spenden leben, wenn er die Beiträge moderat halten will. Viele potenzielle Sponsoren fördern jedoch lieber Jugendprojekte als gemischte Vereine. Finde ich persönlich ganz in Ordnung. Aber genauso finde ich es in Ordnung, wenn wir unseren Mitgliedern eine Ausübung unseres Sports unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern ermöglichen können. Ein reiner Jugendverein passt da einfach in den Zeitgeist. Ob wir richtig liegen, wird die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften zeigen, für die wir viele Unternehmen mit einem Herz für Kinder brauchen. Unser Projekt stellt einen neuen Weg dar, zumindest bei uns auf der Ostalb. Wir werden über unsere Erfahrungen berichten.

Beitrag von Angelika Möbius
Ausgabe: FMT05/2025