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Freitag, 19.12.2025 Vorurteile beim Bau von Schaummodellen

Sonntagvormittag auf dem Modellflugplatz. Ein Jugendlicher fliegt sein im Winter selbst gebautes Modell – einen Buschtrottel. Das ist ein Buschflieger aus Superboard mit dicken Reifen zum Spaß haben. Derweil philosophieren ein paar ältere Modellflieger über den Wert des Bauprojekts. Der Tenor: Dabei lernen die doch nichts! „Dabei“ bedeutet in diesem Fall „beim Bau eines Schaummodells“.

 

Kritik soll man bekanntlich ernst nehmen, selbst wenn es von nicht involvierten Personen kommt. Also schauen wir uns doch mal an, was die jungen Bastler lernen, wenn man so einen Schaumflieger nach Bauplan baut. Und da wir bei unserem Winter-Bauprojekt mit den fortgeschrittenen Jugendlichen den Piroli gebaut haben, erlaubt das dann auch gleich den direkten Vergleich. Der Piroli ist nämlich ein Flächenverwinder aus Holz – nach FMT-Bauplan von Tim Weißbach und mit VTH-Frästeilesatz.

Das Schleifen von Superboard ist keine einfache Sache – es wird in langen Zügen mit wenig Druck geschliffen. Das erfordert Fingerspitzengefühl.

Das Schleifen von Superboard ist keine einfache Sache – es wird in langen Zügen mit wenig Druck geschliffen. Das erfordert Fingerspitzengefühl.

 

Doch nicht so unterschiedlich

Der Bau beider Modelle beginnt mit den Flächen. Beim Trottel werden zwei Superboard-Bretter großflächig mit Uhu Por aufeinander geklebt. Das obere Brett hat eine geringere Tiefe als das untere und bekommt als Hinterkante einen 6×1-mm-CFK-Rechteckstab der als Holm dient. Erste Lektion: Der Verbund zweier unterschiedlicher Materialien führt zu einem Komposit mit verbesserten Eigenschaften. Vergleichbar ist es beim Piroli: Hier werden die Rippen in die Kontur aus Nasenleiste, Randbogen und Endleiste eingesteckt, und dann werden CFK-Rohre als Holme eingeschoben und die ganze Struktur mit dünnflüssigem Sekundenkleber fixiert. Auch hier werden Materialien kombiniert. Der Flügel des Trottels muss nun in Kontur geschliffen werden. Wer schon einmal Superboard geschliffen hat, weiß dass das nicht ganz einfach ist – bei zu grober Körnung oder zu viel Druck brechen Krümel aus dem Material, was zu einer narbigen Oberfläche führt. Also in langen Zügen mit wenig Druck schleifen. Beim Piroli hingegen ist nur wenig Schleifarbeit notwendig – die Kontur ist durch die Rippenform und die Nasen- und Endleiste vorgegeben, hier muss nur ein wenig verrundet und geschärft werden.

Bei dem Piroli kann man eigentlich nichts falsch machen – die Verzapfung der Teile gibt die richtige Position stets vor.

Bei dem Piroli kann man eigentlich nichts falsch machen – die Verzapfung der Teile gibt die richtige Position stets vor.

 

Unterschiede beim Rumpfbau

Bei beiden Modellen wird der Rumpf durch Aufkleben der Spanten auf ein Seitenteil begonnen. Beim Piroli passen alle Teile verzapft nur auf eine Art zusammen, sodass Baufehler fast ausgeschlossen sind. Beiden Modellen gemeinsam ist, dass die Spanten senkrecht auf die Seitenteile müssen, um einen geraden Rumpf zu bekommen. Die vorderen und hinteren Spanten, da wo sich die Rümpfe verjüngen, werden eingeklebt, wenn der mittlere Kasten ausgehärtet ist. Das Vorgehen bei beiden Modellen, unabhängig vom Material, ist identisch. Beim Piroli sind Motorzug und -sturz vorgegeben. Beim Buschtrottel muss man erst mal rechnen und anzeichnen, bevor der Motorspant (ein Komposit aus Schaum und Sperrholz) eingeklebt werden kann. Außerdem müssen die Rumpf-Seitenteile durch CFK-Rechteckstäbe verstärkt werden, damit sie sich später unter der Last der Servokräfte nicht verbiegen. Lerneffekt bei beiden Modellen: So ein Motor steht nicht gerade vorne im Modell, sondern ist nach unten und zur Seite geneigt. Beide Rümpfe müssen natürlich daraufhin verschliffen werden.

Die Gelegenheit zum Lötkurs wird bei beiden Modellen ausgenutzt – nach einer „Lehrstunde“ mit Björn darf jeder ein selbstgelötetes Ladekabel mitnehmen.

Die Gelegenheit zum Lötkurs wird bei beiden Modellen ausgenutzt – nach einer „Lehrstunde“ mit Björn darf jeder ein selbstgelötetes Ladekabel mitnehmen.

 

Der Vergleich geht weiter

Bei den Leitwerken gibt es wieder Ähnlichkeiten, wobei wir beim Piroli streng genommen nicht von Leitwerken sprechen können, da Höhen- und Seitenruder beim Flächenverwinder nicht angelenkt werden. Bei beiden Modellen müssen die hinteren Flächen aber verschliffen werden – vorne verrundet, hinten geschärft. Alle Baumeister müssen also schleifen und dann beim Kleben auf senkrechte, waagrechte und symmetrische Ausrichtung achten.

Der Buschtrottel hat außerdem eine Tür als Zugang zum Akkufach. Hier müssen kreativ Methoden zum Einhängen der Tür, zum Griff und zum Verschluss gefunden werden. Dabei waren meist Drehachsen aus CFK-Stäbchen und ein Magnetverschluss die Favoriten. Die Flächen bekommen auch Vorflügel, die in die passende Form gebogen werden müssen und für die man passende Befestigungs-Klötzchen herstellen muss. Außerdem hat der Trottel auch ein Fahrwerk, das aus 3-mm-Stahldraht gebogen werden muss und dann an einer Fahrwerksaufnahme aus Sperrholz befestigt wird. Zusammen mit den dicken Bushweels der Funcub gibt das dem Modell ein bulliges Auftreten. Als Johannes fragte, ob wir dem Modell eine Vorspur geben sollen, habe ich das leichtfertig verworfen: „Der Flieger ist ja sowieso nach einem Meter in der Luft“. Damit habe ich den Lerneffekt verspielt, dass leicht nach innen gedrehte Räder den Geradeauslauf verbessern. Wir haben das aber längst nachgeholt. Beim Piroli gibt es nur ein Federbrettchen mit Zungen als Zugang zu Akku und Elektronik. Die Extras der Buschtrottel führen beim Lerneffekt damit – meines Erachtens – zu einer deutlichen Führung gegenüber dem Bau des Piroli.

Ob Piroli oder Buschtrottel: Ein Erfolgsgefühl haben die Jugendlichen gleichermaßen, wenn der Rohbau fertig wird.

Ob Piroli oder Buschtrottel: Ein Erfolgsgefühl haben die Jugendlichen gleichermaßen, wenn der Rohbau fertig wird.

 

Elektronik und Finish

Um es kurz zu machen: Beide Modelle haben Elektromotor, Regler, Servos. Empfänger und Akkus. Die Servos müssen die Ruder möglichst spielfrei und kurz anlenken und alle Komponenten müssen so platziert werden, dass der korrekte Schwerpunkt hinterher möglichst ohne zusätzliches Gewicht erreicht wird. Der Piroli ist dabei bereits so definiert, dass es kaum Spielraum gibt. Allerdings ist der Einbau aufgrund des engen Rumpfs eher kniffelig. Der große Rumpf des Buschtrottels erlaubt einen einfacheren Zugang und mehr Spielraum, auch was zum Beispiel die Platzierung der Querruder-Servos angeht. Bei diesem Baustand schieben wir dann gerne den Lötkurs ein. Unabhängig vom Modell werden die Grundlagen vermittelt und die Teilnehmer nehmen dann alle ihre ersten selbst gelöteten Ladekabel mit nach Hause.

Der Piroli wird klassisch mit Bügelfolie bespannt. Hier müssen die jungen Baumeister lernen, dass das endgültige Erscheinungsbild ganz wesentlich davon bestimmt wird, welche Farben zum Einsatz kommen und wie sauber gearbeitet wird. Die Buschtrottel werden mit Acrylfarbe lackiert, wobei wir die Grundfarbe durch einen Profi aufbringen lassen – im Lackierwerk von Walter werden die Farben von den Kids selber angesetzt und gemischt und die grundierten Rümpfe dann professionell lackiert. Das endgültige Design kommt dann später individuell mit dem Pinsel. Egal ob Farbe oder Folie: Man lernt neues.

Sowohl beim Anbringen den Bügelfolie als auch beim professionellen Auftrag der Acrylfarbe gibt es wertvolles, neues Wissen zu vermitteln.

Sowohl beim Anbringen den Bügelfolie als auch beim professionellen Auftrag der Acrylfarbe gibt es wertvolles, neues Wissen zu vermitteln.

 

Auf zum Erstflug

Sowohl Piroli als auch Trottel müssen natürlich ausgewogen werden, damit der Schwerpunkt stimmt. Ruderausschläge müssen eingestellt werden, dass Modell muss in der Fernsteuerung angelegt und programmiert werden. Akkus werden formiert und ein Reichweitentest muss gemacht werden. Der Lerneffekt ist gleich, unabhängig vom Baumaterial.

Der Buschtrottel aus Superboard ist der ideale Flieger für Anfänger, die gerade mit dem Easyglider fliegen gelernt haben – denn jetzt können sie nach Herzenslust herumturnen, ohne Angst vor Schäden zu haben. Zudem muss man vom Boden starten und auch wieder landen. Aber selbst bei einer vertikalen „Landung“ ist höchstens eine neue Luftschraube fällig oder der Motorspant muss wieder festgeklebt werden. Ansonsten ist das Superboard kaum klein zu kriegen. Der Piroli wiederum ist ein prima „Immer-Dabei-Flieger“. Kompakt, mit eleganter Form und interessantem Steuerungskonzept. Im Gegensatz zum Trottel soll man hier nicht wild rumturnen, sondern muss weiträumiger und sanfter fliegen. Auch wieder ideal für die Weiterentwicklung der jungen Piloten, ohne dass es langweilig wird. Es haben also in der Praxis beide Modelle ihre Vorteile.

Dank dem Superboard sind die Buschtrottel praktisch unverwüstlich. Da kann auch die ein oder andere unsanfte „Landung“ verkraftet werden.

Dank dem Superboard sind die Buschtrottel praktisch unverwüstlich. Da kann auch die ein oder andere unsanfte „Landung“ verkraftet werden.

 

Die lernen doch was

Fairerweise muss ich zugeben, dass der Buschtrottel beim Lerneffekt die Nase wegen der Art des Modells und nicht dem Material die Nase vorne hat. Das Schaummodel benötigt beim Bau einfach ein paar Extras, die einen größeren Lerneffekt erlauben. Mein Fazit ist aber auf jeden Fall das Folgende: Die Kids lernen nicht nur völlig unabhängig vom Baumaterial eine Menge, sondern haben vor allem trotzdem die Aufregung und Anspannung, wenn das mühsam selbst gebaute Modell zum ersten Mal in die Luft soll. Und den Moment, den wir Modellflieger alle so lieben: Wenn der Flieger nach dem Erstflug wieder heil auf der Erde ist. Wir Erwachsenen würden dann vor Freude gerne hüpfen. Die Kids machen das wirklich. Und es tut der Freude am Buschtrottel keinerlei Abbruch, wenn nicht jeder versteht, wie er entstanden ist und was da alles dahintersteckt.

 

Logo "Early Birds" des FMT-Jugendförderprogramms.

Beitrag von Thomas Stier
Ausgabe: FMT12/2025

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